Mehr als eine Milliarde Menschen weltweit ist nachweislich mit Darmparasiten infiziert. Diese Fälle treten besonders in tropischen Gebieten der Welt auf, in denen sanitäre Anlagen und Körperpflege weniger weit entwickelt sind. Da Parasiten vor allem dafür bekannt sind, Infektionen, Malaria und andere Krankheiten auszulösen, gehen die meisten Menschen nicht davon aus, dass Parasiten auch Vorteile haben könnten. Neue Ergebnisse könnten die Ansicht über einige dieser unbeliebten Mikroorganismen jedoch komplett verändern. Tatsächlich hat eine Studie gezeigt, dass ein bestimmter Parasit positiven Einfluss auf die Fähigkeit einer Frau haben kann, schwanger zu werden.
Wie funktioniert das?
Die mit 986 Frauen im südamerikanischen Bolivien durchgeführte Studie wurde als Projekt des Anthropologen Aaron Blackwell von der University of California, Santa Barbara, im Jahr 2002 gestartet und neun Jahre lang durchgeführt. Im Laufe dieser neun Jahre wurden fast 1.000 einheimische Tsimane-Frauen untersucht. Das Ergebnis zeigte, dass jene Frauen, die mit dem Rundwurm Ascaris lumbricoides infiziert waren, während ihres Lebens durchschnittlich zwei Kinder mehr bekamen, als diejenigen, die nicht von diesem Parasiten befallen waren. Die durchschnittliche Familiengröße der Tsimane-Frauen in Bolivien beträgt neun Kinder, 70% von ihnen sind mit dem Parasiten infiziert.
Wissenschaftler und auch Prof. Blackwell gehen davon aus, dass dies am Einfluss des Parasiten auf das Immunsystem liegt, wodurch die Fähigkeit der Frau, sich auf den Fötus vorzubereiten und für ihn zu sorgen, gesteigert wird.
„Wir denken, dass diese Effekte wahrscheinlich auftreten, da die Infektionen die Immunsysteme der Frauen so verändern, dass diese auf eine Schwangerschaft freundlicher oder weniger freundlich reagieren“, erklärte Blackwell. Rundwürmer können einige der gleichen Immunveränderungen imitieren, die während einer Schwangerschaft auftreten, beispielsweise eine Anregung der T-Zellen-Produktion sowie entzündungshemmende Reaktionen auslösen.
Professor Allan Pacey, ein Fruchtbarkeitsforscher von der University of Sheffield, bezeichnete die Studie als überraschend und faszinierend, da er bereits zuvor Medikamente an Frauen verabreicht hatte, die das Immunsystem im Rahmen einer In-vitro-Befruchtung (IVF) verändern sollten. Rundwürmer können durch eine Veränderung des Immunsystems zudem die Empfängnis und die Einpflanzung eines Embryos in die Gebärmutterschleimhaut anregen.
Aufgrund seines Einflusses auf das Immunsystem wurde der Rundwurm auch als experimentelle Behandlung bei Morbus Crohn, Allergien, Asthma, Autoimmunerkrankungen und Multipler Sklerose (MS) eingesetzt.
Rundwurm vs. Hakenwurm
Rundwürmer erhöhen die weibliche Fruchtbarkeit zwar erwiesenermaßen um zwei zusätzliche Kinder, Hakenwürmer sind jedoch Parasiten, die eine komplett gegensätzliche Wirkung auf die Fähigkeit einer Frau haben, schwanger zu werden. Die Studie erklärte, dass die Präsenz von Hakenwürmern im Durchschnitt dazu führe, dass Frauen während ihrer Lebenszeit drei Kinder weniger gebären. Sowohl eine Schwangerschaft als auch Rundwürmer können entzündungshemmende Reaktionen auslösen, die dem weiblichen Körper dabei helfen, den Fötus anzunehmen und zu tragen. Auch Hakenwürmer verursachen eine entzündungshemmende Reaktion, gleichzeitig jedoch auch eine entzündungsfördernde.
Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Parasiten besteht darin, wie sie sich in ihrem Wirt verhalten. Rundwürmer bleiben normalerweise im Dünndarm und nehmen einen kleinen Teil der Nahrung ihres Wirts auf, während Hakenwürmer (Ancylostomaduodenale und Necatoramericanus) ähnlich wie Moskitos agieren, indem sie das Darminnere durchstechen und das Blut des Wirts sowie die Nährstoffe trinken. Die Studie zeigte außerdem, dass von den fast 1.000 Frauen jene einen geringeren Body-Maß-Index und geringere Hämoglobin-Level aufwiesen, die Hakenwürmer in sich trugen.
Hakenwürmer erhöhten außerdem das Alter einer Frau bei der Geburt ihres ersten Kindes sowie die Zeitspanne zwischen zwei Schwangerschaften. Professor Rick Maizels, ein Parasiten-Spezialist, sprach in den BBC News über die Auswirkungen von Unfruchtbarkeit auf das Leben von Frauen und erklärte: „Es ist schrecklich, dass die Auswirkungen von Hakenwürmern so schwerwiegend sind; die Hälfte aller Frauen im Alter von 26 oder 28 war noch nicht schwanger, das hat einen immensen Einfluss auf ihr Leben.“ Maiziels geht außerdem davon aus, dass Hakenwürmer Blutarmut auslösen, die wiederum zu Unfruchtbarkeit geführt haben könnte.
Die Zukunft der Fruchtbarkeitsbehandlungen
Ob Rundwürmer als Therapiemethode für weibliche Fertilitätsprobleme in Frage kommen, muss aufgrund des Risikos, den der Einsatz von Parasiten mit sich bringen kann, noch festgestellt werden. Auf die Frage nach einer Verwendung in zukünftigen Therapien bezeichnete Blackwell den Einsatz von Rundwürmern, um Unfruchtbarkeit zu behandeln, als eine „faszinierende Möglichkeit“, forderte aber weitere Arbeit und Forschungen, bevor diese tatsächlich genutzt werden könnten.
Aufgrund dieser Erkenntnisse konnte zwar noch keine neue Fruchtbarkeitstherapie auf den Markt gebracht werden, die Ergebnisse der Studie liefern allerdings neue Erkenntnisse zum Thema Fertilität und einen weiteren Hoffnungsschimmer für Paare, die mit Unfruchtbarkeit kämpfen.