Männer mit Querschnittslähmung haben häufig mit Beeinträchtigungen ihrer Sexualfunktion zu kämpfen. Rückenmarkverletzungen können Probleme bei der Erektion, Ejakulation und der Fähigkeit, einen Orgasmus zu erreichen, verursachen.
Gestörte Ejakulation
Damit ein Samenerguss erfolgen kann, müssen verschiedene Nerven zusammenspielen, die jedoch nach einer Rückenmarksverletzung oft nicht mehr richtig funktionieren. Aus diesem Grund kann der Mann entweder nur tropfenweise ejakulieren oder gar nicht. Auch kann eine retrograde Ejakulation vorliegen, bei dem der Samenerguss rückläufig in die Harnblase abgegeben wird. Lediglich 55 Prozent aller Männer, die eine Rückenmarksverletzung haben, sind in der Lage, beim Geschlechtsverkehr oder Masturbieren zu ejakulieren. Trotz dieser Probleme ist für Betroffene der Kinderwunsch nicht ganz ausgeschlossen. Um Samenzellen für eine Befruchtung zu gewinnen, haben sich verschiedene Techniken als hilfreich erwiesen.
Injektion ins zentrale Nervensystem
Dieses Verfahren wurde 1946 von Ludwig Gutmann, bekannt als Pionier der ganzheitlichen Rehabilitation Querschnittgelähmter, entwickelt. Er verhalf seinen Patienten zu Samenergüssen, indem er ihnen das Enzym Cholinesterasen in die Nervenscheide spritzte. Da diese risikoreiche Methode jedoch ernste gesundheitliche Probleme wie Bluthochdruck, Bauchkrämpfe und Erbrechen auslöste, kommt dieses Verfahren heute nicht mehr zum Einsatz.
Die penile Vibrationsstimulation
Bei dieser Methode, die auf Comarr und Brindley zurückgeht, wird der Penis mit Hilfe eines Vibrators stimuliert. Dabei kann sich der Patient in liegender oder sitzender Position befinden, während sein Geschlechtsorgan, das Bindegewebe an Eichel und Penisstamm und der Muskel zwischen Anus und Hoden gereizt werden. Dadurch sollen mehrere, hintereinander erfolgende Samenergüsse ausgelöst werden. Doch auch dieses Verfahren bringt Nebenwirkungen wie Bauch- und Muskelkrämpfe, Kopfschmerzen und Bluthochdruck mit sich. Erfolg kann zudem nur erzielt werden, wenn das Rückenmark zwischen T11 und S4 gesund ist.
Elektroejakulation
Dieses Verfahren, das auf den amerikanischen Arzt Dr. Dr. Stephen W. J. Seager zurückgeht, zählt zu den bewährtesten Methoden. Die von Seager entwickelte transrektale Elektroejakulation gilt als die erfolgreichste Form der Elektroejakulation. Dabei wird der Enddteil des Darms mit Hilfe einer elektronischen Sonde stimuliert, die durch den After eingeführt wird. In mehreren Zyklen, die einige Sekunden dauern, werden verschiedene Nerven angesprochen, wobei die Spannung bei jedem Zyklus erhöht wird. Dadurch kommt es zu Kontraktionen der Beckenbodenmuskulatur, die eine Erektion und schließlich auch Ejakulation auslösen. Je nach Stimulation, kann der Eingriff entweder einige Sekunden oder ein paar Minuten dauern. Anschließend wird die gewonnene Sperma-Probe im Labor aufbereitet und kann bei unterschiedlichen Befruchtungsmethoden wie einer IUI, IVF oder ICSI eingesetzt werden. Da die Elektroejakulation mit großen Schmerzen verbunden ist, erfolgt sie in der Regel unter Narkose oder Regionalanästhesie.
Erfolgsraten
In einer Studie mit 17 Teilnehmern wurde die Erfolgsrate der Elektroejakulation untersucht, wobei zehn Männer unter einer Anejakulation (Ausbleiben einer Ejakulation) litten, die durch eine Rückenmarkverletzung verursacht wurde, bei weiteren fünf lag eine Anejakulation aufgrund retroperitonealer Lymphknotendissektion vor und zwei wiesen eine idiopathische (ohne bekannte Ursache) Anejakulation auf. Nach der Elektro-Ejakulation kam es zu insgesamt 34 ICSI-Zyklen, wobei in 60 Prozent eine Befruchtung erzielt werden konnte; in sechs Fällen konnte eine Schwangerschaft herbeigeführt werden. Diese Resultate wurden mit den Ergebnissen von 620 ICSI-Zyklen verglichen, in denen Männer mit Fruchtbarkeitsproblemen spontan ejakulierten. In diesen Fällen lag die Befruchtungs-Rate bei 58 Prozent.
Auch an der Universität Michigan zeigten sich mit Hilfe der Elektroejakulation Erfolge. Bei 198 Männern, die damit behandelt wurden, konnten bei 75 Prozent der Querschnittsgelähmten und bei 87 Prozent der Patienten nach retroperitonealer Lymphadenektomie Spermien in adäquater Qualität gewonnen werden. Zwei Drittel der Männer konnte nach einer anschließend durchgeführten artifiziellen Insemination eine Schwangerschaft erzielen, wobei 35 gesunde Kinder zur Welt gebracht wurden.
Für Männer, die unter einer neurogenen Anejakulation leiden, stellt die Elektroejakulation eine wirksame Methode mit geringen Komplikationen dar.