Bei der Spermienproduktion muss eine enorme Menge an DNA auf engstem Raum verpackt werden, ohne dass etwas kaputt geht. Eine zentrale Rolle spielen dabei bestimmte Proteine, um die der DNA-Faden gewickelt ist – die Protamine. Eine Studie der Universität Bonn gibt Einblicke in diesen wichtigen Mechanismus. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PLoS Genetics veröffentlicht worden.
Spermatogenese
Wenn Sie kurz vor dem Urlaub mal wieder über Ihren viel zu kleinen Koffer jammern, sollten Sie sich an menschlichen Samenzellen orientieren. Bei ihrer Produktion stehen sie vor einer schier unlösbaren Aufgabe. Sie müssen 23 DNA-Fäden mit einer Gesamtlänge von einem Meter in einen Kopf mit einem Durchmesser von nur drei tausendstel Millimetern packen. Dabei dürfen sich die filigranen Fäden weder zu einem unentwirrbaren Knoten verheddern, noch reißen.
Wir setzen uns oft auf den Koffer, um ihn zu schließen. Auf einen ähnlichen Trick greift der Körper bei der Spermatogenese zurück. Normalerweise bildet die DNA ein vergleichsweise lockeres Knäuel. In den Samenzellen ist sie jedoch enorm komprimiert. „Würde die DNA unter normalen Umständen so viel Platz wie eine Wassermelone einnehmen, wären die Spermien nur noch so groß wie ein Tennisball“, sagt Prof. Dr. Hubert Schorle vom Institut für Pathologie des Universitätsklinikums Bonn.
DNA muss enorm komprimiert werden
Biologen nennen diesen Vorgang Hyperkondensation. In ihrem losen Zustand sind die DNA-Fäden um zahlreiche kugelförmige Eiweißmoleküle, die Histone, gewickelt. In diesem Zustand ähneln sie 23 winzigen Perlenketten. Bei der Hyperkondensation werden die Histone zunächst gegen Übergangsproteine ausgetauscht. In einem weiteren Schritt werden diese durch so genannte Protamine ersetzt. Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung üben die Protamine eine sehr starke Anziehungskraft auf die DNA aus. Der Faden wickelt sich daher in sehr festen und dichten Schleifen um das Protamin.
„Die meisten Säugetiere scheinen nur eine Art von Protamin zu produzieren, PRM1“, erklärt Dr. Lena Arévalo, Postdoktorandin in Schorles Gruppe. „Beim Menschen, aber auch bei Nagetieren wie Mäusen, ist das anders – sie haben einen zweiten Typ, PRM2.“ Wofür genau dieses zweite Protamin benötigt wird, war bisher nicht bekannt. Bekannt war jedoch, dass einige Teile davon während der Spermienentwicklung nach und nach abgeschnitten werden.
Und genau diese abgeschnittenen Teile scheinen laut der Studie von enormer Bedeutung zu sein. Wenn Mäuse nur ein verkürztes PRM2-Molekül produzieren, dem die abgeschnittenen Abschnitte fehlen, sind sie unfruchtbar. Die Entfernung von Übergangsproteinen während der Hyperkondensation ist beeinträchtigt. Außerdem scheint die Kondensation zu schnell abzulaufen, so dass die DNA-Stränge brechen.
Hoffnung auf Therapien gegen männliche Unfruchtbarkeit
Es ist möglich, dass ein defektes Protamin 2 auch bei Männchen unserer eigenen Spezies zu Unfruchtbarkeit führen kann. „Es gibt nur wenige Forschergruppen, die die Rolle von Protaminen bei der Hyperkondensation analysieren“, sagt Schorle, der auch Mitglied der Transdisciplinary Research Area (TRA) ‚Life and Health‘ an der Universität Bonn ist. „Wir sind bisher das einzige Labor weltweit, dem es gelungen ist, sowohl PRM1- als auch PRM2-defiziente Mauslinien zu generieren und zu züchten, mit denen wir nun die Rolle dieser Proteine in der Spermatogenese untersuchen können.“ Mittelfristig könnte dies auch zu neuen Therapien gegen männliche Unfruchtbarkeit führen.