In der westlichen Welt kommen mittlerweile zwei bis fünf Prozent aller Kinder mit Hilfe einer IVF zur Welt. Laut dem Internationalen Marktforschungsinstitut Allied Analytics LLP soll sich bis zum Jahr 2021 ein Anstieg des globalen IVF-Marktes von etwa 11, 3 Milliarden Dollar ergeben. Für viele Paare ist eine künstliche Befruchtung die einzige Möglichkeit, um doch noch den Traum von einem eigenen Kind realisieren zu können. Neue Studien legen jedoch nahe, dass eine In-vitro-Fertilisation einen weiteren wichtigen Risikofaktor für Herz-Kreislauf- und Stoffwechsel-Erkrankungen beim zukünftigen Nachwuchs darstellen kann. Diese Ergebnisse wurden von Dr. Emrush Rexhaj, Kardiologe am Inselspital Bern, auf dem Kongress der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) in London präsentiert.
Hoher Blutdruck und Arteriosklerose bei durch IVF gezeugten Kindern
Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen ein gesundheitliches Risiko für Kinder, die durch eine In-vitro-Fertilisation gezeugt wurden. In einer neuen Studie über Retortenbabys, die im Fachjournal Cardiovascular Medicine veröffentlicht wurde, konnte gezeigt werden, dass Kinder, die mittels IVF entstanden sind, im Gegensatz zu Kontrollkindern über eine ausgeprägte generalisierte Funktionsstörung der Gefäße sowie über eine deutlich erhöhte Gefäßwanddicke (Intima-Media-Dicke, IMT) der Halsschlagader verfügten. Eltern und Geschwister hingegen, die nicht durch eine IFV, sondern spontan gezeugt wurden, besaßen eine normale Funktion der Gefäße. Laut Dr. Rexhaj könne man anhand der Untersuchungen darauf schließen, dass eine künstliche Befruchtung per se eine Störung der Gefäßfunktion zur Folge habe. Gemäß dieser Forschungen würden Kinder, die aus einer IVF entstanden sind, schon in jungen Jahren unter einem erhöhten Blutdruck leiden und eine Frühform von Arteriosklerose entwickeln.
20 bis 30 Jahre nötig, um genaue Zahlen zu gewinnen
Die 5-Jahre Folge-Studie zeigte zudem, dass bei Kindern, die das Resultat einer künstlichen Befruchtung waren, die Funktionsstörung der Gefäße weiter existierte und systolische sowie diastolische Blutdruckwerte signifikant erhöht waren. Laut dem Forscher sprächen diese Ergebnisse für eine wahrscheinliche Zunahme der Häufigkeit von arteriellem Bluthochdruck in der IVF-Population bereits in jungen Jahren. Eine frühere Untersuchung mit männlichen IVF-Mäusen konnte bereits feststellen, dass die Tiere die Funktionsstörung der Gefäße an die nächste Generation weitergaben. Bei den Mäusen werden diese Veränderungen von dem sogenannten epigenetischen Mechanismus (Vererbung von nicht genetisch festgelegten Eigenschaften) verursacht. Der Kardiologe merkt an, dass eine Verbindung zwischen schädlichen Einflüssen während der Fötalzeit und einer erhöhten Häufigkeit von kardiovaskulären- und Stoffwechselerkrankungen im weiteren Leben bereits mehrfach belegt wurde. Der Grund: Bei einer IVF wird der frühe Embryo manipuliert, in einer Phase, in der er wahrscheinlich besonders empfindlich reagiert. Bei IVF-Kindern gehe man von einem ähnlichen Mechanismus aus. Da Herzkreislauf-Erkrankungen meist erst mit dem fünften Lebensjahrzehnt entstehen und Menschen, die durch eine künstliche Befruchtung gezeugt wurden, noch sehr jung sind, müsse man dem Forscher zufolge noch weitere 20 bis 30 Jahre abwarten, um genauere Zahlen zu erhalten. Dr. Rexhaj betont weiter: „Das bedeutet, dass die pränatale Anamnese integraler Bestandteil jeder Anamnese sein und bei der Implementation von kardiovaskulärer Prävention und/oder der Behandlung kardiovaskulärer Krankheiten Berücksichtigung finden sollte.“
Konsequenzen für Paare mit Fertilitätsproblemen
Dass eine IVF-Behandlung Risiken birgt, ist bereits in mehreren klinischen Studien belegt worden. So konnte eine erhöhte Frühgeburtsrate und ein niedrigeres Geburtsgewicht ermittelt werden sowie eine höhere Fehlbildungsrate. Laut der österreichischen Journalistin Eva Maria Bachinger würden Paare über die negativen Effekte einer IVF und die daraus resultierenden Folgen viel zu wenig aufgeklärt werden. Die neuen Forschungsergebnisse, nach denen eine IVF auch das Risiko für Herz-Krauslauf-Erkrankungen bei künstlich gezeugten Kindern erhöhe, ergeben sich nun weitere Probleme. Daher ist es entscheidend, dass Paare, die sich zur einer IVF entschließen, schon im Vorfeld eingehend beraten werden und sorgfältig auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen untersucht werden, da eine familiäre Vorbelastung die Risiken, die sich ohnehin bei einer IVF ergeben, noch weiter erhöhen können. Im schlimmsten Fall müsse man sogar mit globalen Auswirkungen rechnen, da immer mehr Menschen aus verschiedenen Gründen (später Kinderwunsch, Lebensstiländerung und Störungen der Fruchtbarkeit) auf eine IVF zurückgreifen müssen. „Diese neuen Daten machen deutlich, dass sich hier mittelfristig wohl ein Faktor entwickelt, der künftig einen relevanten Einfluss auf die Herz-Kreislaufmorbidität haben wird und daher in der Versorgungsplanung berücksichtigt werden sollte“, so der Pressesprecher der DGK Prof. Eckart Fleck (Berlin).