Kinder mit Sexualdifferenzierungsstörungen sind als Erwachsene möglicherweise unfruchtbar. Wenn die Organe in einem frühen Alter erhalten werden, kann dies jedoch die Fertilitätschancen erhöhen.
Diese Störung (auch bekannt als disorders of sex development oder DSD) kann auf verschiedene Arten auftreten, beispielsweise als Androgenresistenz, angeborene Nebennierenhyperplasie, nicht eindeutige Geschlechtsorgane oder auf andere Weise. Eltern und Ärzte der betroffenen Kinder müssen schwere Entscheidungen mit ernsthaften Konsequenzen treffen. So entscheiden sich Ärzte möglicherweise dafür, die Sexualorgane eines Kindes mit DSD zu entfernen, um potentielle Keimzellentumore zu verhindern. Eltern müssen oft auch ein Geschlecht „festlegen“, das den Nachwuchs für den Rest seines Lebens beeinflusst.
Forschung zu Fruchtbarkeit und Sexualdifferenzierungsstörungen
Forschungsergebnisse scheinen zu bestätigen, dass das Entfernen der Eierstöcke oder Hoden bei Kindern mit DSD ihre Fruchtbarkeitschancen in Zukunft erhöht. In diesen Fällen wird das Gewebe bei sehr niedrigen Temperaturen gelagert und für den späteren Gebrauch erhalten. Da ein vollständiges Verfahren mit vorpubertären Patienten jedoch eine bisher noch nicht entwickelte Technologie zur Reifung von Keimzellen benötigt, befürchten einige, dass damit nur falsche Hoffnungen geweckt werden. Es gibt auch andere Bedenken.
Laut Dr. Courtney Finlayson vom Stanley Manne Kinderforschungsinstitut am Anne und Robert H. Lurie Kinderkrankenhaus von Chicago, verursacht das kritische Timing des Verfahrens ein Problem. „Wenn wir bis zum Erwachsenenalter warten und der Patient sein Einverständnis geben kann, könnte die Möglichkeit eines Fruchtbarkeitserhalts verpasst werden“, sagt sie. „Auf der anderen Seite sollte eine Operation so lange aufgeschoben werden, bis die betroffene Person unabhängig und selbst darüber entscheiden kann, ob sie sich als Mann oder Frau fühlt. Das ist ein schwieriger Balanceakt.“
Kosten und Versicherung
Auch die Kostenfrage ist entscheidend, da ein Fruchtbarkeitserhalt nicht nur bis zu Zehntausende Dollar kosten kann, sondern von den Versicherungsgesellschaften häufig als freiwillige Operation angesehen wird.
Finlayson erklärt weiter: „Unserer Ansicht nach sollte ein Fruchtbarkeitserhalt bei Kindern mit DSD von den Versicherungen übernommen werden, da eine DSD-Behandlung zu Infertilität und somit wiederum zu schwerer psychologischer Belastung führen kann.“ Sie befürchtet, dass eine Weigerung der Versicherungen, die Kosten dieser Verfahren zu übernehmen, Betroffene davon abhalten könnte, ihre Fruchtbarkeit zu erhalten.
Ethische Erwägungen
Wenn die Sexualorgane zu einem so frühen Zeitpunkt entnommen werden und dementsprechend ein Geschlecht festgelegt wird, besteht die Befürchtung, dass Menschen mit Sexualdifferenzierungsstörungen in ihrem späteren Leben eine Geschlechtsidentitätsstörung ausbilden. Wenn eine Person beispielsweise dem männlichen Geschlecht zugeordnet wurde, sie sich aber als Frau fühlt, kann es eine emotionale Belastung darstellen, die Samenzellen zu erhalten. Die hohen Östrogen- bzw. Testosterondosen, die Patienten bei einem Fruchtbarkeitserhalt verabreicht werden, können zudem körperlichen Veränderungen hervorrufen.
Auch die genetischen Konsequenzen dieses Verfahrens für DSD-Patienten sind Thema heißer Diskussionen. Einige Menschen, die eine Weitergabe von DSD an die nächste Generation befürchten, finden es unverantwortlich, wenn sich Menschen mit genetischen Störungen fortpflanzen. Befürworter des Verfahrens wenden hingegen ein, dass viele Menschen mit solchen Störungen ein gesundes und produktives Leben führen können. Dann gibt es auch noch einige Betroffene, die nicht wollen, dass ihr Zustand überhaupt als Störung oder Krankheit bezeichnet wird. Präimplantationsdiagnosen der Embryonen könnten die meisten genetischen Befürchtungen lösen.
Wie Finlayson darlegt, handelt es sich hier nicht um ein eindeutiges Thema.
„Die fruchtbarkeitsbezogene Behandlung von Kindern mit DSD steckt noch in den Kinderschuhen. Wir müssen die einzigartigen ethischen Fragen, die ein Fruchtbarkeitserhalt bei den Betroffenen aufwirft, sorgfältig erwägen.“