Die Anhäufung falsch gefalteter oder beschädigter Proteine in langlebigen, sich nicht teilenden Zellen wie Neuronen wird mit neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer in Verbindung gebracht. Eine Studie zeigt nun, dass die Anhäufung dieser toxischen Proteine auch die Qualität der Eizellen und die weibliche Fruchtbarkeit beeinflusst. Die Forscher entdeckten, dass Mäuseozyten über spezialisierte Strukturen verfügen, die im Zytoplasma umherwandern und wie eine Aufräumtruppe agieren, die Proteinaggregate auffängt und festhält, um sie unschädlich zu machen. Gelingt es nicht, die toxischen Proteine abzubauen, so entstehen defekte Eizellen. 3 von 5 (60%) der Mäuseembryonen, die die toxischen Proteine geerbt hatten, scheiterten in den allerersten Entwicklungsstadien. Die Studie eröffnet neue Möglichkeiten zur Erforschung jener Mechanismen, die einer schlechten Eizellenqualität zugrunde liegen, die die Hauptursache für weibliche Unfruchtbarkeit ist.
Wie Eizellen jahrzehntelang intakt bleiben
Oozyten sind unreife Eizellen, die sich bei fast allen weiblichen Säugetieren vor der Geburt entwickeln. Die Fortpflanzung künftiger Generationen hängt davon ab, dass diese endliche Zellreserve viele Jahre lang unbeschadet überlebt. Bei Mäusen kann dies ein Zeitraum von bis zu achtzehn Monaten sein, während sie beim Menschen fast ein halbes Jahrhundert überdauern kann – die durchschnittliche Zeit zwischen Geburt und Menopause. Wie die Zellen diese bemerkenswerte Leistung der Langlebigkeit vollbringen, ist seit langem eine brennende Frage.
Forscher des Zentrums für Genomische Regulierung (CRG) in Barcelona haben einen neuen Mechanismus entdeckt, der erklärt, wie Eizellen jahrzehntelang unversehrt bleiben, ohne dem Verschleiß zu unterliegen, der bei anderen Zelltypen zum Versagen führen würde. Die in der Zeitschrift „Cell“ veröffentlichten Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten bei der Erforschung ungeklärter Ursachen für Unfruchtbarkeit. Die Forscher untersuchten Proteinaggregate, d. h. Klumpen falsch gefalteter oder beschädigter Proteine. Unkontrolliert reichern sich diese schädlichen Substanzen im Zytoplasma an, und haben hochgradig toxische Auswirkungen. Es ist bekannt, dass sich Proteinaggregate in Nervenzellen ansammeln, und ihre Auswirkungen wurden mit mehreren neurodegenerativen Krankheiten in Verbindung gebracht. Zellen bewältigen Aggregate in der Regel, indem sie sie mit speziellen Enzymen abbauen. Sie können sich auch in zwei neue Zellen teilen, wobei sie die Aggregate in einer der Zellen konzentrieren und die andere verschonen.
Aber Eizellen sind nicht wie die anderen Zellen. Aufgrund ihrer langen Lebensdauer können sie toxische Substanzen nicht durch Zellteilung abbauen. Der ständige Abbau von Proteinaggregaten ist eine untaugliche Strategie, da er einen hohen Energieaufwand erfordert, der möglicherweise nicht zur Verfügung steht. Eizellen haben auch die Aufgabe, ihr gesamtes Zytoplasma nach der Verschmelzung mit einem Spermium an einen Embryo zu spenden, und ziehen es daher vor, ihre Stoffwechselaktivität zu reduzieren, eine Strategie, die die Erzeugung von Nebenprodukten vermeidet, die die mütterliche DNA schädigen und den zukünftigen Fortpflanzungserfolg beeinträchtigen können. Dies macht die Eizellen besonders empfindlich gegenüber den Auswirkungen falsch gefalteter oder beschädigter Proteine. Die Forschwer wollten untersuchen, wie Eizellen mit diesen fehlgefalteten oder beschädigten Proteinen umgehen.
Eizellen wenden einzigartige Strategie an, um schädliche Proteinaggregate loszuwerden
Das Team von Dr. Böke unter der Leitung von Dr. Gabriele Zaffagnini sammelte zunächst Tausende unreife Eizellen, reife Eier und frühe Embryonen von erwachsenen Mäusen. Mit Hilfe spezieller Farbstoffe beobachteten sie das Verhalten der Proteinaggregate in Echtzeit mit einer Technik, die als Live-Cell-Imaging bezeichnet wird. Außerdem nutzten sie die Elektronenmikroskopie, um einen genaueren Blick auf nanoskopische Details im Zellinneren zu werfen – eine Arbeit, die fünfeinhalb Jahre in Anspruch nahm.
Die Forscher entdeckten in den Eizellen spezielle Strukturen, die sie EndoLysosomal Vesicular Assemblies – kurz ELVAs – nannten. Diese Strukturen – es gibt etwa 50 pro Eizelle – wandern im Zytoplasma umher, wo sie Proteinaggregate einfangen und festhalten, um sie unschädlich zu machen. Zellen haben viele subzelluläre Strukturen, die als Organellen bezeichnet werden und ähnliche Aufgaben wie ein Organ im Körper erfüllen. Die Forscher bezeichnen ELVAs als „Superorganellen“, da es sich um ein Netzwerk aus vielen verschiedenen Arten von Zellkomponenten handelt, die als eine einzige Einheit zusammenarbeiten.
Die Studie enthüllte einen entscheidenden Moment während der Reifungsphase der Eizelle, nämlich, wenn sich eine Eizelle in eine reife Eizelle verwandelt, und sich auf den Eisprung und eine mögliche Befruchtung vorbereitet. In diesem Stadium beobachteten die Forscher, wie sich ELVAs zur Zelloberfläche bewegten und die Proteinaggregate abbauten, wodurch das Zytoplasma im Wesentlichen gründlich gereinigt wurde. Dies ist die erste Beobachtung der einzigartigen Strategie, die Eizellen anwenden, um Proteinaggregate loszuwerden.
Eine Eizelle muss bei der Befruchtung ihr gesamtes Zytoplasma an den Embryo spenden, daher kann sie es sich nicht leisten, dass sich Müll ansammelt, der ein existenzielles Risiko für ihre Funktion darstellen würde. In diesem Sinne sind ELVAs wie ein ausgeklügeltes Abfallentsorgungsnetzwerk oder eine Aufräummannschaft. Sie überwachen das Zytoplasma, um sicherzustellen, dass keine Aggregate frei schweben. ELVAs halten diese Aggregate in einer begrenzten Umgebung, bis die Eizelle bereit ist, sie auf einen Schlag zu entsorgen.
Proteinaggregate beeinträchtigen die Qualität der Eizellen und mindern die weibliche Fertilität
Die Fruchtbarkeit nimmt mit zunehmendem Alter ab und eine schlechte Eizellenqualität ist die Hauptursache für weibliche Unfruchtbarkeit. Weltweit steigen auch die Unfruchtbarkeitsraten, wobei verzögerte Mutterschaft einer der Faktoren ist, die dazu beitragen. Zu verstehen, wie Eizellen gesund bleiben und warum diese Strategien mit zunehmendem Alter versagen, ist von entscheidender Bedeutung, um ungeklärte Ursachen für Unfruchtbarkeit zu verstehen und neue Behandlungsmöglichkeiten zu eröffnen.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass das Vorhandensein von Proteinaggregaten die Qualität sowohl der Eizelle als auch des Embryos beeinträchtigen könnte. Als die Forscher experimentell die Fähigkeit von ELVAs verhinderten, Proteinaggregate während des Reifungsprozesses der Eizelle abzubauen, führte dies zur Bildung defekter Eizellen. Als die Forscher eingriffen und die Embryonen „zwangen“, aggregierte Proteine zu erben, konnten 3 von 5 (60 %) sehr frühe Entwicklungsstadien nicht abschließen.
Diese Forschung eröffnet eine faszinierende zukünftige Richtung, um zu untersuchen, ob der Proteinabbau und Probleme bei seiner Regulierung in Eizellen den altersbedingten Rückgang der Embryonengesundheit erklären könnten. Eine andere Art langlebiger Zellen, die sich nicht teilen, aber dennoch mit Proteinaggregaten zurechtkommen müssen, sind Neuronen. Die Ansammlung schädlicher Substanzen in diesen Zellen ist mit der Entstehung verschiedener Arten neurodegenerativer Erkrankungen, einschließlich Alzheimer, verbunden. Die Studie öffnet die Tür für zukünftige Forschungswege über den Bereich der Reproduktion hinaus.