Zöliakie ist eine weit verbreitete chronische Erkrankung in den USA und Europa, eine jener, die ein Leben lang andauern. Man geht davon aus, dass eine von 100 Personen betroffen ist. In Europa zählt die Zöliakie zu den häufigsten Lebensmittelintoleranzen. Frauen sind davon ca. doppelt so häufig betroffen als Männer. Die Erkrankung hat eine Reihe negativer Auswirkungen auf die reproduktive Gesundheit: Unerklärliche Unfruchtbarkeit, wiederkehrende Fehlgeburten, Totgeburten sowie Menstruationsstörungen und eine beinträchtige Spermienqualität können das Resultat einer unbehandelten Zöliakie sein.
Was versteht man unter Zöliakie?
Menschen, die Zöliakie haben, leiden unter einer Glutenunverträglichkeit. Gluten ist ein Eiweißgemisch, das sich in Weizen, Roggen, Gerste bzw. in anderen Weizengattungen findet. Wenn Weizenmehl und Wasser gemischt werden, entsteht durch Kneten das elastische Klebereiweiß (Gluten). Nach aktuellem Wissenstand ist Zöliakie eine Mischform aus Autoimmunerkrankung und Allergie, bei der das Immunsystem falsch auf bestimmte Teile des Glutens reagiert und die Darmschleimhaut angreift, die sich infolgedessen entzündet und geschädigt wird. Dadurch ist die Aufnahme von Nährstoffen gestört. Typische Symptome bei Zöliakie sind u.a. Verdauungsstörungen aller Art, Müdigkeit, Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, Blässe, Depressionen und Fruchtbarkeitsprobleme. Es gibt verschiedene Verlaufsformen; ein Großteil der Betroffenen erlebt keine, bzw. nur wenige Symptome. Da bislang keine Therapie für Zöliakie existiert, müssen Betroffene ein Leben lang auf Gluten verzichten.
Zöliakie und ihr Einfluss auf die Fruchtbarkeit
Wenn Paare mit Unfruchtbarkeit kämpfen, sind Empfängnisschwierigkeiten in 27 Prozent der Fälle auf Eisprungstörungen zurückzuführen, 25 Prozent machen unidentifizierte männliche Probleme aus, in 17 Prozent der Fälle, ist der Grund für die Unfruchtbarkeit ungeklärt. Wissenschaftler fanden heraus, dass bei Frauen mit unerklärlicher Unfruchtbarkeit Zöliakie 2,5- bis 3,5-mal häufiger auftritt als bei Frauen mit normaler Fertilität. Frauen, die zwar schwanger werden, aber wiederholte Fehlgeburten erleben, gelten ebenfalls als unfruchtbar.
Ein möglicher Grund, warum eine unbehandelte Zöliakie die weibliche Fruchtbarkeit beeinträchtigt, besteht darin, dass ein Mangel an Nährstoffen wie Eisen, Selen, Folsäure und Zink auftritt, wenn keine glutenfreie Ernährung verfolgt wird. Der Körper kann die Nährstoffe aufgrund von Darmschäden nicht aufnehmen, diese sind jedoch essentiell für eine gute reproduktive Gesundheit. Eine Glutenunverträglichkeit bewirkt zudem die Bildung von Antikörpern, die sich gegen die Gebärmutterschleimhaut und den Embryo richten. Ebenso wird angenommen, dass auch Antikörper hergestellt werden, die die Plazenta angreifen und die Implantation des Embryos erschweren. Da die Einnistung nicht richtig funktioniert, ist das Risiko für eine Fehlgeburt erhört. Da die Blutgefäße in der Plazenta von den Antikörpern geschädigt werden, kommt es zu einer mangelhaften Versorgung des Fötus. Aus diesem Grund kommen viele Kinder mit einem geringen Geburtsgewicht zur Welt.
Beim Mann kann eine unbehandelte Zöliakie zu Impotenz und dem Verlust der Libido führen. Zudem leidet die Spermienqualität aufgrund von Ernährungsproblemen. Es zeigte sich, dass aufgrund einer nicht erkannten Zöliakie eine reduzierte Gonadenfunktion (Bildung und Abgabe von Spermien) auftreten kann. Diese Störungen können auch im Rahmen einer oligosymptomatischen Zöliakie gefunden werden, bei der sich keine weiteren Symptome zeigen.
Studien zu Zöliakie und einer verminderten Fruchtbarkeit
Im Laufe der letzten Jahre wurde eine Reihe von Studien durchgeführt, die untersuchte, wie sich Zöliakie auf die männliche und weibliche Fruchtbarkeit auswirkt. Dabei zeigten sich zum Teil unterschiedliche Ergebnisse.
Negative Auswirkungen auf die weibliche Fertilität
Einige Studien fanden einen Zusammenhang zwischen Zöliakie und einem Anstieg von Fehl- und Totgeburten, wenn die Frauen Gluten nicht aus ihrer Ernährung entfernten.
Eine Metaanalyse italienischer Forscher im Jahr 2016 fand heraus, dass Frauen, bei denen sich keine Empfängnis einstellt, fünfmal häufiger unter einer nicht entdeckten Zöliakie leiden als der Rest der Bevölkerung. Bei Frauen mit wiederkehrenden Fehlgeburten zeigt sich sechsmal häufiger eine Sensibilität auf Gluten. Das Risiko, dass sich das Baby im Mutterleib nicht richtig entwickelt, verachtfacht sich durch der Erkrankung.
Eine Studie aus Italien aus dem Jahr 2000 stellte fest, dass unerwünschte Schwangerschaftsausgänge vermieden werden können, wenn Frauen sich auf die Krankheit testen lassen. Dabei untersuchten die Wissenschaftler 845 Schwangere auf Zöliakie und identifizierten 12. Von diesen 12 Schwangerschaften nahmen 7 einen unerwünschten Ausgang, wobei es sich um 3 Totgeburten, 5 Frühgeburten und drei Babys mit geringem Geburtsgewicht handelte. Nach 6 Monaten glutenfreier Diät, konnten jene 12 Frauen, die unter Zöliakie litten, 6 erfolgreiche Schwangerschaften verzeichnen.
Eine Studie, die einen Vergleich zwischen 94 unbehandelten Zöliakiepatientinnen und 31 behandelten Zölikaiepatientinnen anstellte, zeigte, dass das relative Risiko von spontanen Aborten 8,9 mal höher, das relative Risiko von untergewichtigen Babys 5,84 mal höher und die Dauer des Stillens 2,54 mal kürzer war bei unbehandelten Müttern. All diese Faktoren konnten mit einer glutenfreien Ernährung korrigiert werden.
Eine andere Studie über weibliche Fruchtbarkeit bei Zöliakiepatientinnen ermittelte ein höheres Vorkommen von Fehlgeburten bei Betroffenen mit unbehandelter Zöliakie. 15 Prozent der Schwangerschaften bei Frauen mit unbehandelter Zöliakie endeten in Fehlgeburten, im Gegensatz dazu, erlebten nur 6 Prozent in der Kontrollgruppe einen Abort. Mütter mit der unbehandelten Erkrankung verzeichneten 120 Lebend- und 7 Totgeburten, bei der Kontrollgruppe waren es 161 Lebendgeburten und 1 Totgeburt.
Eine weitere Studie, die Patientinnen heranzog, die frühere Fehlgeburten erlitten hatten, zeigte, dass jene, die eine glutenfreie Kost zu sich nahmen, einen Rückgang der Schwangerschaftsverluste in Höhe von 45 Prozent verzeichneten und einen Rückgang von 39,4 Prozent bei der Geburt von Babys mit einem niedrigem Geburtsgewicht.
Zudem existieren Studien, die zeigen, dass Zöliakie häufig bei Frauen mit Endometriose vorkommt und Zölikaiepatientinnen ein höheres Risiko für Schilddrüsenerkrankungen haben.
Diese Forschungen liefern den Beweis, dass es einen starken Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Fehl- und Totgeburten und nicht diagnostizierter Zöliakie gibt und wie wichtig eine glutenfrie Ernährung für die reproduktive Gesundheit ist.
Es gibt auch eine Verbindung zwischen Zöliakie und dem Alter der Menarche (erstes Auftreten der Menstruation in der Pubertät) und der Menopause. So bekamen Frauen mit unbehandelter Zöliakie, die nicht auf Gluten verzichteten, ihre erste Periode bis zu 1,5 Jahre später als jene, die Gluten aus der Ernährung strichen. Außerdem kamen jene mit unbehandelter Zöliakie 4 oder 5 Jahre früher in dien Menopause.
Negative Auswirkungen auf die männliche Fertilität
Auch wenn Zöliakie Frauen häufiger betrifft und es mehr Studien zum Thema Zöliakie und weibliche Unfruchtbarkeit gibt, kann auch die männliche Fertilität durch diese Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen werden. Hypogonadismus (d.h. der Körper stellt zu wenig Testosteron her) ist ein bekannter Faktor bei männlicher Unfruchtbarkeit. Bei 7 Prozent der unter Zöliakie leidenden Männern wurde Hypogandismus gefunden. Männer mit nicht diagnostizierter Zöliakie haben eine höhere Anzahl von abnormalen Spermien, zusammen mit unausgeglichenen Hormonspiegeln.
So fand eine Studie, dass bei mehr als 19 Prozent der verheirateten Männer mit Zöliakie Spermienprobleme auftraten, vor allem was die Morphologie und Motilität betrifft. Die Spermienmotilität war bei 2 von 3 Zölliakiepatienten erheblich reduziert.
Eine andere Studie wiederum stellte fest, dass Männer mit diagnostizierter Zöliakie häufiger an einer Androgenresistenz litten, was bedeutet, dass ihr Körper nicht richtig auf das männliche Hormon Testosteron reagierte.
Eine Studie aus Schweden aus dem Jahr 2001, die 7121 Männer mit Zöliakie bis ins späte Erwachsenenalter verfolgte, kam jedoch zu dem Schluss, dass diese Männer etwa gleich viele Kinder hatten im Vergleich zu jenen ohne der Erkrankung.
Die Ergebnisse der Studien lassen darauf schließen, dass der Verzicht auf Gluten positiven Einfluss auf die reproduktive Gesundheit hat. Wenn eine glutenfreie Ernährung verfolgt wird, berichteten 70 Prozent der Patienten mit Zöliakie von einer Erleichterung der Symptome innerhalb von zwei Wochen.
Richtige Ernährung kann Fruchtbarkeit verbessern
Frauen und Männer, die an Zöliakie leiden, müssen ihre Ernährung umstellen und ein Leben lang auf Gluten verzichten. Da eine glutenfreie Ernährung oft mit einem Mangel an Nährstoffen einhergeht, ist es wichtig, neben einer gesunden und ausgewogenen Kost, zusätzlich eine glutenfreie Multivitamin/Multimineral-Ergänzung zu wählen. Es gibt viele glutenfreie Getreidesorten, die Menschen mit der Erkrankung zu sich nehmen können. Dazu zählen Vollkornprodukte wie brauner Reis, Quinoa, Hirse, Amarant, die reich an Vitaminen und Mineralien sind. Auch Obst, Milchprodukte, Kartoffeln, Fisch und Geflügel, sowie Nüsse und Öle dürfen auf dem Speiseplan stehen. Eine Ernährungsumstelllung sollte schon vor der Schwangerschaft erfolgen, um die Gesundheit von Mutter und Kind sicherzustellen. Zusätzlich sind Vitamine, Eisen, Kalzium, Folsäure und Omega 3-Fettsäuren vor und während der Schwangerschaft essentiell.
Auch wenn es bereits zahlreiche Studien zu Zöliakie und ihrem Einfluss auf die Fruchtbarkeit gibt, wird der Erkrankung immer noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Jede Frau, die unter unerklärlicher Unfruchtbarkeit leidet, sollte einen Test auf Zöliakie durchführen lassen, der auf spezielle Antikörper untersucht, die einen Hinweis auf die Erkrankung liefern. Außerdem sollte die Ernährung so schnell wie möglich auf eine glutenfreie Kost umgestellt werden. Mithilfe einer glutenfreien Ernährung lässt sich die Fruchtbarkeit verbessern und es kann wieder eine normale Fertilitätsrate erreicht werden, die dem Alter entspricht.